15.02.2021: Feindbild Einfamilienhaus
Die Entscheidung der Stadt Hamburg, in Neubaugebieten keine Einfamilienhäuser mehr zuzulassen, ist die Kapitulation vor dem Turbokapitalismus und vertreibt letztlich auch noch die Oma aus ihrem Häuschen.
Das Verbot reiht sich ein in die Reihe der Entscheidungen und Maßnahmen, die sich gegen das Wohneigentum richten, jedoch unterm Strich auch für Mieter keine Vorteile bringen.
Der Eigenheimerverband Deutschland e. V. mit seinen 100.000 Mitgliedern, die überwiegend in Siedler- und Eigenheimervereinen vor Ort organisiert sind, ist prädestiniert zu dieser Situation Stellung zu nehmen.
Viele der Mitgliedsvereine entstanden in Folge der beiden Weltkriege und ihre Mitglieder hatten zu diesem Zeitpunkt lediglich das Ziel, schnell Wohnraum für ihre Familien zu schaffen, nachdem der Staat diesen in der nachgefragten Menge nicht zur Verfügung stellen konnte. Das selbst genutzte Wohneigentum erfuhr also gerade in Notzeiten einen massiven Aufschwung. Die frisch gebackenen Wohneigentümer waren durchaus keine gut betuchten Zeitgenossen, sondern in Mehrheit ganz normale Leute aus dem Volk, die diesen auch damals nicht leichten Weg hin zum „eigenen Häuschen“ eingeschlagen haben. Oftmals wurde in der eigenen Immobilie auch der Vorteil der (mehr oder weniger stark ausgeprägten) Selbstversorgung durch Obst- und Gemüseanbau und der Haltung von Kleinvieh gelebt. An vielen Orten Deutschlands entstanden so zusammenhängende Grünzonen mit vergleichsweise geringer Bebauung. Auch in den heute Ballungsräume genannten Orten entwickelten sich Quartiere mit Geschosswohnungsbau parallel mit Quartieren mit Einfamilien-, Doppel- und Reihenhäusern. Die meisten Deutschen empfinden dies als durchaus stimmige und harmonische Städtebauentwicklung und - dies sei auch hier erneut angemerkt - nach wie vor wird das Häuschen im Grünen als großer Traum genannt.
Eine Stadt zukünftig lediglich in der Variante „Geschosswohnungsbau“ weiter zu entwickeln und dabei vorrangig auf den Aspekt Flächenverbrauch zu verweisen, ist sträflich einseitig.
Weder werden dabei ökologische noch ökonomische und schon gar nicht soziale Aspekte hinreichend berücksichtigt.
Die schon zuvor genannten Quartiere mit niedriger Einfamilien-, Doppel- oder Reihenhausbebauung stellen oftmals die notwendige Belüftung („Frischluftschneise“) der Städte sicher und wirken der Aufheizung der Metropolen durch den hohen Grünanteil entgegen. Auf ein und derselben Fläche können gestapelt zwar eine größere Menge Menschen untergebracht werden, aber im Kleinhäuser-Quartier wird neben den dort lebenden Menschen auch eine weit größere Anzahl an anderen Lebewesen und Pflanzen zu finden sein. Was ist jetzt ökologischer?
Natürlich können die Städte versuchen, den notwendigen Ausgleich an fehlenden Grünflächen in Form von öffentlichen Parks und anderen Grünlagen zu erreichen. Die Kommune müsste diese Flächen oft erst einmal zu diesem Zweck erwerben, dann überplanen und schließlich errichten. Nicht zu vergessen, dass diese Flächen dann auch noch bewirtschaftet werden müssen. Natürlich, die Bevölkerung darf diese Flächen dann (in der Regel unter Auflagen) betreten. Aber, die Häuschenbesitzer tragen zur Artenvielfalt, zur oberflächigen Regenwasserspeicherung und zur Klimatisierung zum Nulltarif bei und zahlen dabei auch noch Steuern, die unmittelbar in den Stadtsäckeln landen. Was ist für eine Stadtverwaltung jetzt ökonomischer?
Machen wir uns doch nichts vor, ein Bauträger, der für teures Geld Flächen zum Geschosswohnungs-bau erwirbt, wird immer versuchen das maximale an Bebauung zu erreichen. Grünflächen werden dabei als Verlustfaktoren bewertet; die notwendige Grünlandpflege erscheint als lästiger Abrechnungsposten für die WEG.
Das Beispiel München, das vielfach auch das Millionendorf genannt wird, zeigt doch eindringlich, wie sich die Menschen ihre Städte tatsächlich vorstellen. Ein dort durchgeführter Bürgerentscheid führte dazu, dass Hochhäuser nur noch bis zu einer bestimmten Höhe gebaut werden dürfen. Die Bewohner der so genannten Gartenstädte mit Einfamilien-, Doppelhaus- und Reihenhausbebauung machen sich seit Jahren für den Erhalt ihrer Quartiere stark und das städtische Referat für Stadtplanung und Bauordnung musste sich auf diesen Druck hin konkrete „städteplanerische und bauordnungsrechtliche Gedanken“ zum Erhalt dieser in der Bevölkerung gewünschten Stadtstrukturen machen.
Auch in sozialer Hinsicht kann das Hamburger Einfamilienhausverbot nicht positiv bewertet werden. Da keine neuen Flächen mit „Kleinhäusern“ hinzukommen, werden diesbezügliche Bestandsflächen im Verhältnis rarer und dadurch mit Sicherheit exorbitant teurer.
Es wird immer Nachfrager geben, die nahezu jeden Preis bezahlen können und genau diese werden sich dann um den vermutlich immer kleiner werdenden „Kuchen“ an Kleinhausgrundstücken reißen. Damit hätte die Politik endgültig vor dem Turbokapitalismus kapituliert.
Typischerweise schert sich der selbst nutzende Wohneigentümer zu Lebzeiten wenig um den Wert seiner Immobilie, da er sie ja gar nicht verkaufen, sondern hauptsächlich in dieser besonderen Wohnform so lange wie möglich leben möchte. Ein exorbitant gestiegener Grundstückspreis führt zwangsläufig zu dem Phänomen, dass sich im Todesfall des Eigentümers die Hinterbliebenen vielfach das Erbe wegen der Begleiterscheinungen (Erbschaftssteuer, gegenseitiges Auszahlen innerhalb von Erbengemeinschaften, usw.) nicht mehr leisten können. Vielfach bleibt dann nur noch der Verkauf zur Lösung der vielfältigen Konflikte. Wenn man so will, führen solche Abläufe dazu, dass „die Oma aus ihrem Häuschen vertrieben wird“. Ist das dann sozial?
Lange Zeit haben Mieter und Eigenheimer Seit an Seit in den Kommunen verträglich gelebt. Die schwerwiegenden negativen Entwicklungen am Immobilienmarkt wurden erst so richtig mit der Finanzkrise und der Niedrigzinspolitik offensichtlich.
Natürlich glauben alle Politiker, dass ihre Maßnahmen entscheidende, positive Änderungen erzeugen werden. Das Hamburger Verbot von Einfamilienhäusern, das i.Ü. auch schon häufiger in anderen Kommunen in Deutschland von Grünen Politikern in gleicher oder ähnlicher Form eingebracht wurde, steht jedenfalls nicht für eine positive Entwicklung in Hinblick auf Ökologie, Ökonomie und soziale Auswirkung. Man kann allenfalls zu Gute halten, dass lokal betrachtet vielleicht die Hoffnung bestünde, dass die viel zu vielen Nachfrager nach Wohnraum sich eventual wo anders umsehen könnten und damit eine Entlastung des Immobilienmarktes vor Ort einher gehen würde.
Bevor jetzt, wie im Falle des Grünen Bundestagsabgeordneten Dr. Anton Hofreiter geschehen, dieser Irrglaube auch noch per „Spiegel“-Interview - sozusagen aus der wichtigsten demokratischen Volksvertretung heraus - verteidigt wird, täte man besser daran, die Schieflastigkeit am deutschen Wohnungs- und Immobilienmarkt (hier Wucherpreise für Miete und Kauf, dort Leerstand, Abwanderung und Verödung) durch Herstellung von gleichwertigen Lebens- und Arbeitsbedingungen in möglichst vielen Landstrichen unseres Landes zu beseitigen. Gerade in Zeiten wie diesen, in denen die Menschen durch Home-Office, Home-Schooling und andere Pandemie-Beschränkungen die meiste Zeit in den 4-Wänden verbringen, ist der Wunsch nach eigenem Wohnraum mit Garten, Balkon oder Terrasse gestiegen.
Es gibt also viele Gründe, warum in Deutschland viel mehr Menschen die Wohnung, in der sie ein Großteil ihres Lebens verbringen, ihr Eigentum nennen sollten. Und wenn es dann auch noch die Verwirklichung eines Traumes sein könnte, muss schon mehr als eine fadenscheinige Begründung für ein Verbot aufgetischt werden. Sonst laufen die Verbotsausrufer Gefahr, jetzt als Spalter der Gesellschaft wahrgenommen und später auch noch für das Auseinanderdriften der Schere zwischen Arm und Reich verantwortlich gemacht zu werden.
Wolfgang Kuhn
Präsident Eigenheimerverband Deutschland e.V.